
PROGRAMM
Freitag, 7. Juni 2024
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09:00 Ankommen und Registrierung
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10:00 Eröffnung
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10:30 Vortrag
Wunden in der Kunst und was sie vermitteln: Eine Übung im vergleichenden Sehen.#Kunst #Geschichte #Wahrnehmung
Eilig skizziert oder präzise beschrieben, symbolisch aufgeladen oder eingebettet in Erzählung: Die Darstellung von Wunden in der Kunst ist so vielfältig wie die künstlerischen Praktiken selbst. Dabei vermittelt die Diversität der Darstellungen Unterschiede in der Wahrnehmung und im Umgang mit Wunden. Mithilfe der Bilder anderer Zeiten und Kulturen, kann es uns so gelingen, unsere eigene Gewohnheiten zu hinterfragen. In einer Mischung von Vortrag und Betrachtungsübung zeigte Klaus Speidel, wie Kunst neue Möglichkeitsräume im Denken und Handeln eröffnen kann. »Wenn wir Kunstwerke wieder in ihrer Beziehung zur menschlichen Erfahrung betrachten und nicht so, dass sie ein Thema aufgreifen, das nur für andere Kunst relevant ist, können sie uns helfen, die Welt anders zu sehen und zu denken«, so Speidel.
KLAUS SPEIDEL
ist Kunsttheoretiker, -kritiker und Kurator und lehrt in Wien. Für das Dommuseum kuratierte er gemeinsam mit Johanna Schwanberg die Ausstellung »Zeig mir deine Wunde«. -
11:30 Gespräch
Digitale Medizin in Österreich: Ist Vernetzung der Schlüssel zur Zukunft?#Telemedizin #Digitalisierung #Gesundheitspolitik
An verschiedenen Stellen wird bereits getestet, wie digitale Technologien dabei helfen können, die Gesundheitsversorgung zu verbessern. Solche Technologien unterstützen beispielsweise die Zusammenarbeit der Personen, die sich um die Patient:innen kümmern, indem sie Vernetzung über weite Distanzen ermöglichen. Doch im Moment handelt es sich in Österreich um vereinzelte Pilotprojekte, die zeitlich begrenzt und nicht unbedingt in die Infrastruktur des Gesundheitswesens integriert sind. In ihren Impulsvorträgen nahmen uns Alexander Degelsegger-Márquez Präsi, Angelika Rzepka Präsi, Karoline Kinsky Präsi und Elisabeth Klager Präsi mit ihren ihren Arbeitsalltag und stellten unterschiedliche Aspekte der Digitalisierung vor.
So vermittelte Alexander Degelsegger-Márquez einen Überblick über den aktuellen Stand der Digitalisierungsdiskussion im Gesundheitswesen. Laut Degelsegger-Márquez geht es darum, neue Möglichkeiten zu schaffen, die durch digitale Technologien entstehen, anstatt nur bestehende Prozesse digital abzubilden (z.B. ein Formular digital auszufüllen). Es gebe Dinge, die nur durch digitale Technologien möglich sind, und andere, die immer ›analog‹ bleiben, wie unsere Gesundheit selbst – auch wenn oft von »digitaler Gesundheit« oder »eHealth« die Rede isei. Derzeit werde die Digitalisierung in Österreich verstärkt institutionalisiert: Es gibt eine »eHealth-Strategie« und neue gesetzliche Grundlagen würden geschaffen. Trotz dieser Aufbruchsstimmung sei aber vieles nicht wirklich neu: So verfügt Österreich schon seit längerem über digitale Kommunikationsanwendungen im Gesundheitswesen, wie z.B. die elektronische Gesundheitsakte ELGA. Doch diese Anwendungen wurden meist für die Kommunikation zwischen Professionist:innen konzipiert. Die Integration der Patient:innen als aktive Nutzer:innen ist hingegen noch nicht im medizinischen Alltag angekommen.
Angelika Rzepka stellte zwei Forschungs- und Entwicklungsprojekte aus der Steiermark vor, die darauf abzielen, die Behandlung chronischer Wunden digital zu unterstützen. Ein zentraler Bestandteil dieser Projekte ist ein sogenannter Pfad, der die Abfolge der Interaktionen zwischen Patient:innen und verschiedenen Gesundheitsfachkräften beschreibt. Ein weiterer Bestandteil ist ein standardisiertes Dokumentationsmuster, das in die elektronische Gesundheitsakte integriert wird (Telemonitoring-Episodenbericht für chronische Wunden). Es wurde angenommen, dass Patient:innen mit dem Pfad im Spital ›abgeholt‹ würden um danach extramural weiterbetreut zu werden, doch ließen sich nur wenige Patient:innen bei den vermuteten Anlaufstellen finden. Weitere Untersuchungen zeigten, dass viele Wundpatient:innen von Wahlärzt:innen behandelt werden und dadurch aus dem öffentlich finanzierten System herausfallen. Im Nachfolgeprojekt geht es deshalb um die Einbindung aller Gesundheitsfachkräfte in einer bestimmten Region, um sicherzustellen, dass keine Patient:innen ›verloren gehen‹.
Karoline Kinsky berichtete von einem Projekt zur digitalen Unterstützung der Kommunikation zwischen Hausärzt:innen und auf chronische Wunden spezialisierte Pflegefachkräfte. Das Projekt fand im Bundesland Salzburg statt. Nebst einem Schulungsangebot zu chronischen Wunden wurde eine Software getestet, die die schnelle und formlose Beratung von Hausärzt:innen mit Hilfe einer Chatfunktion ermöglichen sollte. Die Erfahrung bei der Implementierung zeigte, dass ein digitales Werkzeug gute Prozesse verbessern kann, aber allein kein Prozess ist oder einen neuen schafft. Die Vernetzung des Gesundheitspersonals und die Steigerung ihrer digitalen Kompetenz scheinen entscheidende Voraussetzungen zu sein.
Abschließend rückte Elisabeth Klager den Fokus auf Methoden der Einbindung von Anwender:innen in der Entwicklung von digitalen Anwendungen im Gesundheitsbereich. Konkret handelte es sich um ein Tool zur Information von An- und Zugehörigen über Operationsverläufe während der spannungsvollen Wartezeit, sowie telemedizinische Anwendungen im Notrettungswesen.
In der abschließenden Diskussion wurde nochmals hervorgehoben, wie wichtig die Einbindung von Stakeholdern in Strategie- und Entwicklungsprozessen ist. Die Stärkung der digitale Kompetenzen der Gesundheitsfachkräfte wurde als Handlungsfeld benannt, denn Abwarten bis sich diese Herausforderung durch die anstehende Pensionierungswelle selbst lösen würde, könne keine Lösung sein. Auch das Thema »Schnittstellen« wurde mehrfach angesprochen, sowohl in technischer Hinsicht zur Sicherstellung der Interoperabilität als auch zur Integration in bestehende Strukturen. Ein Blick in die Zukunft zeigt, dass bestimmte EU-Vorgaben (wie das »Patient Summary«) in den nächsten Jahren auch in Österreich umgesetzt werden müssen. Ob das Gesundheitssystem die notwendigen Veränderungen in dieser Zeit bewältigen kann, blieb in der Diskussion offen.
ALEXANDER DEGELSEGGER-MÁRQUEZ
ist an der Gesundheit Österreich GmbH für Digitale Gesundheit und Innovation zuständig. Er beschäftigt sich aktuell mit der eHealth-Strategie und Gesundheitsdaten-Infrastrukturen in Österreich.ANGELIKA RZEPKA
forscht am AIT Austrian Institute of Technology zu innovativen digitalen Versorgungsprozessen. Sie unterstützt Partner:innen aus dem Gesundheitswesen bei der Implementierung neuer Technologien und der Überführung derer in die Routineversorgung.KAROLINE KINSKY
ist Gesundheits- und Krankenpflegerin sowie Wundmanagerin in Salzburg. Sie ist Gründerin des Netzwerks »wundlos glücklich«, welches sich für eine Vernetzung von interdisziplinären Berufsgruppen rund um ganzheitliche Wundversorgung engagiert.ELISABETH KLAGER
ist Direktorin des Ludwig Boltzmann Institute Digital Health and Patient Safety. Sie erforscht durch partizipative Methoden, wie Patient:innen und Gesundheitsberufe digitale Gesundheitsangebote entwickeln und nutzen können.RAFFAEL HIMMELSBACH (Moderation)
ist Co-Direktor und Open Innovation in Science Manager der SHoW-Forschungsgruppe. Er verantwortet die Geschäftsführung, die interdisziplinäre Zusammenarbeit, sowie der Arbeitsbereich Co-Creation. -
13:00 Mittagspause
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13:45 Ankündigungen
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14:00 Gespräch
Scham- und Schuldgefühlen in der Gesundheitskommunikation begegnen#Gefühle #Vorurteile #Kommunikation
Der Schlüssel für eine erfolgreiche medizinische Behandlung ist eine Kommunikation, die zum einen empathisch ist und zum anderen das fachlich fundierte Wissen von Gesundheitspersonal an Patient:innen übermittelt. So steigt nicht nur die Zufriedenheit von Patient:innen und medizinischem Personal, sondern neben der Effizienz der Behandlung auch das körperliche und seelische Wohlbefinden der Patient:innen.
Zu Beginn der Gesprächsrunde gab uns John Schlömer einen Einblick in die patientenzentrierte Gesprächsführung. Basierend auf der biopsychosozialen Perspektive liegen die zentralen Elemente dieser Kommunikation in dem partnerschaftlichen Rollenverständnis und der professionellen Allianz zwischen Patient:innen und medizinischem Personal. Dabei spielen neben dem Beziehungsaufbau auch die Einbeziehung des Umfelds und die Übermittlung von Fachinhalten basierend auf einer wertschätzend-empathischen Haltung eine wesentliche Rolle.
In der anschließenden Diskussionsrunde haben wir erarbeitet, dass Scham und Schuld schmerzvoll und bedrohlich sein können. Wird ein Mensch beschämt, werden immer auch seine Würde und sein Selbstwert verletzt. Sandra Stuiber-Poirson betonte die Bedeutung eines respektvollen Umgangs mit dem Thema Beschämung in der öffentlichen Kommunikation. Am Beispiel der Kampagnenarbeit des Neunerhauses zeichnete sie ein Bild des Paradigmenwechsels: Während früher oft stereotype Darstellungen von Personen, die von Obdach- und Wohnungslosigkeit betroffen sind, verwendet wurden, zeigen neuere Kampagnen diese Personen würdevoll und heben gleichzeitig hervor, dass Armut jede:n treffen kann. Mit einer chronischen Erkrankung zu leben, kann negative Auswirkungen auf die Teilhabe am Erwerbsleben und am gesellschaftlichen Leben haben. Zudem können die Ausgaben für professionelle Pflege mit möglichen Einkommensverlusten insbesondere für Personen mit einer chronischen Wunde eine finanzielle Herausforderung darstellen. Christine Sallinger zeigte auf, dass Armutsbetroffenheit auch eine Barriere in der Gesundheitskommunikation darstellt und präsentierte anhand des von der Armutskonferenz und der Plattform »Sichtbar Werden« entwickelten Leitfadens, wie sich gegen Beschämung gewehrt und wie zielführend im Gesundheitssystem kommuniziert werden kann.
Das Merriam-Webster-Wörterbuch wählte „Medical Gaslighting“ zum „Wort des Jahres“ 2022. Der Begriff, der durch Berichte der New York Times über Patient:innen geprägt wurde, beschreibt das Gefühl, von Ärzt:innen abgewertet oder nicht ernst genommen zu werden. In diesem Kontext teilte Hannelore ihre eigene Erfahrung, bei der ihre Symptome nicht beachtet und eine Thrombose beinahe übersehen worden wäre, hätte sie nicht auf eine weitere Untersuchung bestanden. Diese Diskussion verdeutlichte die Notwendigkeit, sowohl die Schulung der Gesundheitskommunikation für medizinisches Fachpersonal zu verbessern als auch Patient:innen zu bestärken. Es bedarf der Wissensvermittlung über Patient:innenrechte, als auch darüber, wie zielführend kommuniziert und wie effektiv Informationen eingeholt werden können. Zusammenfassend waren sich alle Teilnehmenden einig, dass ein sensibler Umgang mit den Themen der Scham und Schuld auf persönlicher, beruflicher und öffentlicher Kommunikationsebene wichtig ist, um auch Stigmatisierung entgegenzuwirken.
HANNELORE
hat selbst Erfahrungen als Betroffene von chronischen Wunden gemacht. Sie wird uns wertvolle Einblicke in
die Erfahrung von Behandlungen geben und ihre Perspektive und Wünsche mit uns teilen.CHRISTINE SALLINGER
ist Mitglied im Koordinationsteam der »Armutskonferenz« und engagiert sich bei »Sichtbar werden«, einer Plattform von Menschen mit Armutserfahrung. Sie referiert und publiziert zum Thema Armutsbetroffenheit.JOHN SCHLÖMER
ist Psychologe und beim Kompetenzzentrum Gesundheitsförderung und -system der Gesundheit Österreich GmbH tätig. Er arbeitet an Kommunikationstrainings für Gesundheitsberufe.SANDRA STUIBER-POIRSON
ist die organisatorische Leitung des neunerhaus Gesundheitszentrum in Wien. Sie setzt sich für die Gesundheitsversorgung von obdach- und wohnungslosen sowie nichtversicherten Menschen ein.KATHRIN MORASEK (Moderation)
arbeitet bei der SHoW-Forschungsgruppe und am Ludwig Boltzmann Institut für Arthritis und Rehabilitation. In ihrer Doktorarbeit entwickelt sie Methoden zur epidemiologischen Erfassung von chronischen Erkrankungen. -
14:00 Workshop
Wie nutzlose Behandlungskonzepte über Bord geworfen werden#Evidenz #Qualität #Implementierung
Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. In diesem Workshop widmeten wir uns Therapien und Maßnahmen, die nicht helfen, obwohl sie von medizinischer Seite verordnet wurden. Ingrid Zechmeister-Koss stellte den Fachbegriff »Low-value Care« samt Beispielen vor erläuterte die Konsequenzen: 30% aller Maßnahmen sind Ressourcenverschwendung, 10% schädigen Patient:innen, und nur 60% erfolgen nach dem Letztstand der Evidenz. Dann übten sich die Teilnehmer:innen im Auffinden von Evidenz zu Wundbehandlungen. Danach ging es auf Ursachenfindung von „low value care“. Raffael Himmelsbach brachte dazu Konzepte aus der Implementierungsforschung mit. Die große Frage kam zum Schluss: Wenn wir wissen, dass eine Maßnahme schlecht wirkt, warum tun wir uns dann trotzdem so schwer, diese über Bord zu werfen? Die erworbenen Konzepte kamen dazu zur Anwendung an einem Fallbeispiel. Das Brainstorming zeigte eindrücklich, wie komplex Prozesse im Gesundheitswesen sind und wie sich unterschiedliche Ebenen von Menschen, Organisationen und Institutionen gegenseitig beeinflussen. Zum Schluss lernten die Teilnehmenden einige handfeste Regeln zum Mitnehmen. So sollte man als Patient:in immer fragen, ob 1) es mehrere Behandlungsmöglichkeiten gibt, 2) welche Vor- und Nachteile diese haben, 3) wie wahrscheinlich deren Erfolg ist, 4) was passiert, wenn Sie nichts unternehmen, und 5) was Sie selbst tun können.
INGRID ZECHMEISTER-KOSS
ist Gesundheitsökonomin und stellv. Leiterin des Österreichischen Instituts für Health Technology Assessment. Sie analysiert, inwiefern Dienstleistungen im Gesundheitssystem nützlich sind oder nicht.RAFFAEL HIMMELSBACH
ist Co-Direktor und Open Innovation in Science Manager der SHoW-Forschungsgruppe. Er verantwortet die Geschäftsführung, die interdisziplinäre Zusammenarbeit, sowie der Arbeitsbereich Co-Creation. -
15:15 Gespräch
Wissenschaft trifft Alltag: Wie uns gemeinsame Forschung weiter bringt#Partizipation #Einbindung #Forschung
In ärztlicher Behandlung zu sein bedeutet nicht nur, sich in die Hände von Profis zu begeben, sondern man leistet auch selbst einen Beitrag zur eigenen Gesundheit. Dabei ist es wichtig, mit in ärztliche Entscheidungen einbezogen zu sein: Alle Menschen sollen die Möglichkeit haben, bei Entscheidungen rund um ihre Gesundheit und Pflege mitzureden. Dieser Austausch stärkt die Zusammenarbeit zwischen Betroffenen und Gesundheitsprofis und kann so die Versorgung verbessern. Doch auch in der Wissenschaft ist diese Partizipation von Betroffenen wichtig. Durch ihre Erfahrungen und Erlebnisse können Personen mit gelebter Erfahrung einen wichtigen Beitrag in diversen Projekten in und außerhalb der Forschung leisten. Doch der Weg dorthin ist nicht immer einfach und manchmal bleibt die echte Partizipation von Personen mit gelebter Erfahrung auf der Strecke. In unserer Diskussionsrunde haben wir Hindernisse für wirkliche Partizipation aufgedeckt. Darunter fiel beispielsweise die Herausforderung der Hierarchie, Personen mit gelebter Erfahrung werden zwar in Projekte integriert werden, aber oftmals keine eigene Entscheidungsmacht haben. Eine weitere Hürde ist, dass bestimmte Personengruppen nur schwer zu erreichen sind, diese nicht unbedingt gerne in partizipative Projekte eingebunden werden möchten oder eine klare hierarchische Struktur bevorzugen. All dies stellt eine Herausforderung für eine gleichberechtigte Teilhabe dar. Daraus ergab sich eine kritische Diskussion, dass partizipative Projekte oftmals in der Theorie funktionieren, die Umsetzung allerdings herausfordernd ist. Die Gesprächspartner:innen teilten aber die Ansicht, dass nach und nach ein Umdenken stattfindet, in dem auch Fördergeber:innen die Relevanz und Vorteile partizipativer Projekte anerkennen. Die Teilnehmenden waren daher optimistisch, dass es in Zukunft mehr solche Projekte geben wird. Am Ende der Diskussionsrunde herrschte Zuversicht, dass sich die aktuellen Herausforderungen durch das gemeinsame Lernern nach und nach auflösen werden.
PETER KÜHNBERGER
hat Politikwissenschaft und Soziologie studiert und ist Geschäftsführer von Dialogplus. Er konzipiert, moderiert und verwirklicht Beteiligungsprojekte, ist publizistisch und als Lektor tätig.MATHIEU MAHVE-BEYDOKHTI
Ludwig Boltzmann Open Innovation in Science CenterDANIELA ROJATZ
ist promovierte Soziologin und Trainerin der Erwachsenenbildung. Sie bei der Gesundheit Österreich GmbH tätig und beschäftigt sich mit Patient:innenbeteiligung in Praxis- und Strategieentwicklung.VERONIKA WÖHRER
ist Professorin für Bildung und Ungleichheit an der Universität Wien und leitete mehrere Forschungsprojekte, in denen partizipativ mit Kindern und Jugendlichen geforscht wurde.DEBORAH DRGAC (Moderation)
arbeitet als Sozialwissenschaftlerin für die SHoW-Fprschungsgruppe, wobei sie sich mit der informellen Versorgungsstruktur chronischer Wunden in Österreich befasst. Darüber hinaus verfasst sie ihre Doktorarbeit zu sozialen und politischen Aspekten des Gesundheitssystems. -
15:15 Workshop
Vom Kopf in den Körper: Bewegung und Wahrnehmung neu entdecken#Bewegung #Körper #Gefühle
Viele von uns haben verlernt, in engen Kontakt mit ihrem eigenen Körper zu treten. Wie können wir das feine Gespür für uns selbst wiederentdecken, besonders wenn der Alltag oft von Denkarbeit und dem Kümmern um andere bestimmt wird? Es kann so bereichernd sein, auf die eigenen körperlichen Empfindungen zu hören und ihnen zu vertrauen. In unserem Workshop haben wir die rationalen Gedanken einmal zur Seite gelegt und richteten unsere Aufmerksamkeit auf die Wahrnehmung unseres Körpers. Wir haben mit Neugier erkundet: Wie geht es meinem Körper gerade? Wie fühle ich mich? Was verändert sich, wenn ich Bewegung in meinen Körper bringe? Ausgehend davon haben wir ausprobiert, wieviel Raum wir einnehmen wollen und zu unserer ganz eigenen, souveränen Haltung finden können, ohne uns anzustrengen. Abschließend leitete uns Amelie Mallmann zu Begegnungen über kleine Berührungen an, so dass der Workshop ein – im wahrsten Sinne des Wortes – berührendes gemeinschaftliches Bewegungserlebnis wurde. Dabei wurde klar, dass der Kontakt über Bewegung und Berührung intensiver sein kann als nur mit Worten, und dass dies auch ein Weg sein kann, Patient*innen zu erreichen, die Hilfe suchen. Andere zu pflegen gelingt dann besonders gut, wenn man sich, den eigenen Körper und die eigenen Bedürfnisse im Blick hat, sich freudvoll Bewegung hingibt und immer wieder den Weg zur Entspannung findet.
AMELIE MALLMANN
ist Anleiterin für heilpädagogischen Tanz und Tanzpädagogin. Sie hat sich der Aufgabe verschrieben, Freude an der Bewegung zu fördern und dadurch neue Zugänge zum Körper zu finden. -
17:00 Networking-Basar
#Vernetzung #Institutionen #Kennenlernen
Das Forum »WUNDE PUNKTE sollte ganz besonders auch eines sein: eine Veranstaltung, bei der die Menschen und ihre Beziehungen zueinander in den Mittelpunkt stehen. Und so haben wir uns die Frage gestellt: „Welche Organisationen und Projekte sollten unbedingt einmal in Kontakt kommen, miteinander und mit unseren vielen Besucher:innen?“ Und so haben wir verschiedene Gruppen, Projekte und Organisationen eingeladen, sich vorzustellen. Sie alle beschäftigen sich mit chronischen Wunden oder auch mit Fragen, die mit chronischen Wunden in Verbindung stehen – wie etwa dem Älterwerden, oder dem Informationsaustausch zwischen Betroffenen und Forschung. Bei einem geführten Rundgang konnten unsere Gäste alle Akteure kennenlernen und erfahren, wofür sich diese engagieren. Danach gab es auch die Gelegenheit, die Stationen individuell zu erkunden, professionelle Kontakte zu knüpfen und sich mit anderen Gästen auszutauschen.
Folgende Organisationen und Projekte waren am Networking-Basar vertreten:
Wiener Wundnetz (vertreten durch Silvia Belalcazar und Rita-Christina Altmann) – Wundbehandlung umspannt oft verschiedene Schauplätze und Berufsgruppen. Schnittstellenprobleme zwischen den einzelnen Gesundheitsdienstleistungsbereichen stellen die Wundversorger vor Herausforderungen. Durch das Projekt Wiener Wundnetz werden Strukturen geschaffen, um die Situation für Betroffene zu verbessern.
Austrian Wound Association AWA (vertreten durch Karoline Kinsky) – Die österreichische Gesellschaft für Wundbehandlung (AWA) ist ein gemeinnütziger Verein mit Mitgliedern aus dem pflegerischen und ärztlichen Bereich sowie sonstigen wundinteressierten Berufsgruppen. Die AWA hat sich zum Ziel gesetzt Wundbehandler:innen zu vernetzen und eine Plattform anzubieten, die informiert, wissenschaftliches Arbeiten unterstützt und praktisches Wissen weitergibt.
Open Innovation in Science Center der Ludwig Boltzmann Gesellschaft (vertreten durch Barbara Konturek) – Das OIS Center ist eine Serviceabteilung der Ludwig Boltzmann Gesellschaft und unterstützt die Ludwig Boltzmann Institute bei der Planung und Umsetzung von OIS-Aktivitäten. Open Innovation in Science (OIS) ermöglicht zielgerichtet Wissensflüsse in die Forschung hinein und aus der Forschung heraus.
InformEndo (vertreten durch Dr. Nina Lorenzoni) – InformEndo steht für selbstbestimmten Umgang mit einer komplexen Erkrankung, wie wir ihn uns auch für die Wundversorgung wünschen würden. Indem Frauen mit Endometriose in den Forschungsprozess einbezogen werden, können verbesserungswürdige Bereiche in der Versorgung, insbesondere Informationsbedürfnisse und -lücken ermittelt werden.
neunerhaus (vertreten durch Sandra Stuiber-Poirson und Ajoki Kalo) – neunerhaus ist eine Sozialorganisation in Wien und ermöglicht obdachlosen und armutsgefährdeten Menschen ein selbstbestimmtes und menschenwürdiges Leben mit Medizinischer Versorgung, Wohnen und Beratung. Ziel ist es, Betroffenen Hilfe zur Selbsthilfe zu geben, um ihre Lebenssituation nachhaltig zu verbessern. neunerhaus engagiert sich gegen die Ausgrenzung wohnungsloser Menschen.
Plattform für interdiziplinäre Alternsfragen (vertreten durch Georg Ruppe) – In vielfältigen Initiativen und Aktivitäten unterstützt die Österreichische Plattform für Interdisziplinäre Alternsfragen (ÖPIA) die Kommunikation und den Wissenstransfer zwischen Wissenschaften, Politik und Öffentlichkeit. Sie orientiert sich dabei an gesellschaftlich relevanten Fragestellungen, die in der Epoche des demographischen Wandels alle Schichten der Bevölkerung und alle Generationen betreffen.
Plattform gegen Einsamkeit (vertreten durch Katrin Weber) – Die „Plattform gegen Einsamkeit in Österreich“ wurde durch den gemeinnützigen Verein Social City Wien mit Unterstützung vom Sozialministerium 2021 ins Leben gerufen. Sie bietet als Anlauf- und Kompetenzstelle eine Vielzahl von Informationen und Ressourcen zur Hilfe bei Einsamkeit an.
Gesundheitsinformation der Forschungsgruppe Alterung und Wundheilung (vertreten durch Marie Niederleithinger) – In unserem fragmentierten Versorgungssystem den Weg in eine fachgerechte Versorgung zu finden, braucht es Orientierungshilfen. Gemeinsam mit Patient:innen, Angehörigen und Expert:innen hat die Forschungsgruppe eine Broschüre entwickelt, die Betroffenen bei ihren ersten Schritten mit einer nicht heilenden Wunde zur Seite zu stehen.
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18:00 Ausstellungsrundgang
»Die offene Wunde«#Fotografie #Kunst #Depressionen
Wenn jemand eine chronische Krankheit hat, beeinflusst sie oft das ganze Leben, selbst wenn man äußerlich nichts davon merkt. Es fühlt sich an, als ob die Krankheit alles kontrolliert. Man kann nur lernen, damit zu leben. Das gilt auch für einige psychische Krankheiten. In der Fotoausstellung zeigte uns der Künstler Jakob Tress, wie er seine eigene Krankheit erlebt: die wiederkehrende depressive Störung. Die Fotos hat er während eines Aufenthalts auf den Azoren mit dem befreundeten Künstler Leon Billerbeck gemacht. Für »WUNDE PUNKTE« präsentierte Tress eine Auswahl dieser Bilder und einen begleitenden Text. So gewährte er Einblicke in seine Gedanken und wie er die Welt um sich herum wahrnimmt. Auf den Bildern kann man erkennen: Manchmal ist der Blick unscharf oder unsicher. Dann wieder klar und fokussiert. Sein Kunstwerk zeigt, dass psychische Krankheiten manchmal ähnlich langwierig und tiefgreifend sein können wie körperliche Wunden.
Fotografien: Jakob Tress und Leon Billerbeck, 22x 40x60cm und 6x 60x80cm, Plattendirektdruck auf Hartschaumplatte, Alu-Bilderrahmen in matten Schwarz. Künstlerischer Text: Jakob Tress. Wien, 2024JAKOB TRESS
studierte Fotografie an der Bauhaus-Universität Weimar. In seinen Arbeiten ergründet er menschliche Gefühle und ihre wechselseitige Beziehung mit der natürlichen und gebauten Umwelt. -
18:45 Tanz-Performance
»process of a braced wound healing«#Tanz #Performance #Wundheilung
Lea Karnutsch erkundete in dieser Solo-Performance die tänzerischen Spuren von Grete Wiesenthal, einer einflussreichen Wiener Tänzerin des frühen 20. Jahrhunderts. Sie hat Wiesenthals markante Technik als das Aufreißen einer alten Wunde interpretiert und diese aus heutiger Perspektive erforscht. Die Performance entstand 2023 für die Produktion »Glückselig. War gestern, oder?«. Für »WUNDE PUNKTE« hat Karnutsch sie weiterentwickelt, nachdem sie Interviews und Hospitationen bei der Ludwig Boltzmann Forschungsgruppe durchgeführt hatte. In ihrer weitergehenden Recherche befasste sich Lea Karnutsch mit den biologischen und sozialen Prozessen, die chronische Wunden begleiten. In der Choreografie war eindrucksvoll zu sehen, wie Lea Karnutsch dem Spannungsfeld körperlicher, psychischer und gesellschaftlicher Faktoren nachspürte. Sie brachte zum Ausdruck, dass letztlich immer das Individuum selbst im Zentrum steht. Die Performance hat somit nicht nur die Biologie chronischer Wunden beleuchtet, sondern kritisierte auch die sozialen Herausforderungen, mit denen betroffene Menschen in unserer Gesellschaft konfrontiert sind.
Choreografie und Tanz: Lea Karnutsch Musik: Refugium und Circumnavigation von Ferdinand Doblhammer (Moosiqunt) Aufnahmen: Refugium bei Simply Deep (UK), Circumnavigation (unreleased), beide 2020
LEA KARNUTSCH
hat klassischen und zeitgenössischen Tanz an der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien studiert. Sie erforscht in ihrer künstlerischen Praxis neue und innovative Formen der Bühnenperformance. -
19:00 Festliches Buffet und Party

Samstag, 8. Juni 2024
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09:00 Ankommen und Registrierung
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10:00 Vortrag
Zum komplizierten Verhältnis von Care, Erwerbsarbeit und Einkommen#Systemfrage #Carearbeit #Politik
In den bestehenden Strukturen zur Behandlung chronischer Wunden zeigen sich systemische Probleme. So gibt es große Hierarchien zwischen Personen und Institutionen, die in der Pflege von Menschen mit chronischen Wunden wichtig sind. Es handelt sich um vertraute Hierarchien, wie sie gesamtgesellschaftlich zwischen un- bzw. schlechtbezahlten Sorgetätigkeiten und marktfähiger Erwerbsarbeit bestehen. In ihrem Vortrag erläuterte Margit Appel, wie ein Gesellschaftssystem reformierbar wäre, das vielfältige Formen der Care-Arbeit und öffentliche Güter »kannibalisiert« (Nancy Fraser). Sie führte aus, dass dafür Veränderungen in der Einkommensverteilung und der Einkommenserzielung zentral sind. Die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens sieht sie als einen geeigneten Hebel dafür. Wie Appel deutlich machte, ist der Care-Sektor aktuell ein Sektor der Bedingungslosigkeit. Frauen und anderen benachteiligten Gruppen, die in diesem Sektor tätig sind, werde zugemutet, ihre Leistungen schlecht bezahlt, zu schlechten Arbeitsbedingungen und wenig anerkannt erbringen zu müssen. In den immer noch wirksamen patriarchal-kapitalistischen Zuschreibungen, solle Care-Arbeit »aus Liebe« erbracht werden. Protest dagegen sei nicht vorgesehen, zeige sich aber, wie Appel ausführt, immer deutlicher. Es brauche eine Politisierung der Fragen des Sorgens in unserer Gesellschaft, damit sowohl Menschen, die Pflege in Anspruch nehmen müssen und auch diejenigen, die Pflege leisten, die benötigten Ressourcen erhalten. So würde Care-Arbeit in ihrer Rolle für das gesellschaftliche Gemeinwohl das richtige Gewicht bekommen.
MARGIT APPEL
studierte Politikwissenschaft, Soziologie und Frauenforschung. Sie ist freie Referentin und Autorin, forscht zu Verteilungsfragen und zum Bedingungslosen Grundeinkommen. -
10:30 Gespräch
Bereit für die Zukunft? Qualifikationen im Gesundheitswesen neu betrachtet#Arbeitsmarkt #Qualifikationen #Pflegezukunft
Der Mangel an spezialisierten Arbeitskräften und die zunehmend ältere Bevölkerung stellen unser Gesundheitssystem vor neue Herausforderungen. Dies wirft entscheidende Fragen auf: Sind bestehende Berufe zukunftstauglich? Wie wird die Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsberufen der Zukunft aussehen? Anhand des Beispiels der Wundversorgung haben wir uns in Europa umgeschaut.
Sebastian Probst gab aus seiner Perspektive als Past President der European Wound Management Association Einblicke in die vieldiskutierte Professionalisierung der Pflege. Er zeigte auf, dass diese nicht nur für die Patient:innen von Vorteil ist, sondern auch den Brückenbau zwischen Pflege und Ärzteschaft und gemeinsame klinische und wissenschaftliche Tätigkeiten fördert.
Community Nurse Anja Altinger und DGKP Peter Kurz gaben Eindrücke aus ihrem Leben und den vielen koordinatorischen Aufgaben, die Wundpleger:innen in Österreich täglich begegnen. Wundpflege bedeutet meist so viel mehr als das in der Ausbildung angebotene Wissen. Sie erfordert ständiges Lernen, Empathie, offene Augen und Ohren für die Bedürfnisse und Lebensumstände der Patient:innen und oftmals kreatives Problemlösen.
Vlastimil Kozon erzählte eindrucksvoll die Geschichte der Pflege, ihre soziokulturellen Hintergründe und wie aus dem einstigen Männerberuf ein klassischer Frauenberuf wurde – eine Entwicklung, die erst in den jüngsten Jahrzehnten wieder im Umdenken begriffen ist.
Alle waren sich einig: Erfolg kann nur gemeinsam gelingen: gemeinsam mit den Patient:innen und gemeinsam mit den Ärzt:innen. Erika Zelko fand dafür besonders schöne Worte: Die Mannigfaltigkeit der Gesundheitsberufe ist wie ein Blumenstrauß. In der Multidisziplinarität, dem Zusammenarbeiten verschiedener Berufsgruppen an oft mehreren Schauplätzen ergibt gemeinsam das schöne große Ganze.
ANJA ALTINGER
ist Community Nurse und Wundmanagerin in Hollabrunn. Sie sieht sich als Gesundheits(system)lotsin und ihr ist eine enge Kooperation zwischen Patient:innen und anderen medizinischen Fachpersonen wichtig.VLASTIMIL KOZON
ist Pflegewissenschaftler und lehrt in Wien. Als Präsident des Vereines Wunddiagnostik und Wundmanagement setzt er sich für bessere Arbeitsbedingungen von Pflegefachkräften ein.PETER KURZ
Ist Geschäftsführer der WPM Wund Pflege Management GmbH und Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Wundbehandlung. Er plädiert für einen ganzheitlicheren Ansatz in der Wundbehandlung.SEBASTIAN PROBST
ist Professor für Wundpflege und ehemaliger Präsident der Europäischen Wundfachgesellschaft. Er erforscht, wie professionelle Wundpflege in der Zukunft aussehen kann.ERIKA ZELKO
leitet das Institut für Allgemein- und Familienmedizin an der Johannes-Kepler-Universität Linz. Sie veröffentlicht außerdem im Bereich Palliativversorgung und Gesundheitsorganisation und engagiert sich in diversen Vereinigungen.CONNY SCHNEIDER (Moderation)
ist Wissenschaftskommunikatorin und somit das kommunikative Bindeglied zwischen der SHoW-Forschungsgruppe und der Öffentlichkeit. Sie promovierte über die Regeneration von Knorpelgewebe. -
11:45 Gespräch
Gesundheit für alle: Chronisch krank sein unter schwierigen Lebensumständen#Armut #Obdachlosigkeit #Selbstversorgung
Menschen, die von Armut betroffen sind, eine unzureichender Sozialversicherung haben oder obdachlos sind, haben oft auch Schwierigkeiten mit medizinischer Versorgung. Stigmatisierung und andere Barrieren erschweren den Zugang zu Gesundheitsdiensten. Der »Louise-Bus« der Caritas Wien ist ein Beispiel für aufsuchende Angebote, das medizinische Versorgung dorthin bringt, wo die Zielgruppe sich ohnehin aufhalten muss. Der Bus steuert beispielsweise Notquartiere an. Monika Stark ist die ärztliche Leiterin und erzählte in dieser Gesprächsrunde, dass Straßenmedizin andere Denkweisen in der Behandlung erfordert. Medizinisches Personal, welches aufsuchend Patient:innen versorgt, brauche deshalb eine Zusatzausbildung. Eine Herausforderung hinsichtlich chronischer Wunden sei es zum Beispiel, dass Menschen ihre Schuhe durchgehend tragen müssten und Socken sowie Schuhe manchmalregelrecht in die Wunden einwachsen. Monika Stark setzt sich dafür ein, dass Straßenmediziner:innen auch andere Berufsgruppen schulen, die Kontakt zu Menschen ohne Obdach oder Wohnung haben – zum Beipsiel Sozialarbeiter:innen, Rettungssanitäter:innen und Polizist:innen.
In die Anlaufstelle »neunerhaus« müssen Klient:innen eigenständig kommen. Das könne mitunter eine Struktur für den Alltag von Menschen bieten, sagte Ajoki Kalo. Die Teamleiterin der Gesundheits- und Krankenpflege vertrat den Standpunkt, dass es vor allem sicheren und leistbaren Wohnraum brauche, um die Lage ihrer Patient:innen zu verbessern. Darüber hinaus seien für Ajoki Kalo multiprofessionelle Versorgungspunkte mit interdisziplinärer Zusammenarbeit und evidenzbasierter Pflegepraxis entscheidend. Im »neunerhaus« sind verschiedene medizinische Berufsgruppen unter einem Dach erreichbar.
Bei der Prävention von Erkrankungen beziehungsweise schwerwiegenden Auswirkungen auf das Leben von obdachs- oder wohnungslosen Menschen setzt die Forschung von Tobias Schiffler an. Im Rahmen seiner Dissertation hat er im Rahmen des Projekts »CANCERLESS«, gemeinsam mit Kolleg:innen aus weiteren EU-Ländern, betroffene Personen gefragt, was es in der Krebs-Prävention vor dem Hintergrund von Obdachs- oder Wohnungslosigkeit braucht. Tobias Schiffler betonte: Es ist ein Vorurteil, dass Menschen, die weitgehend von medizinischer Versorgung ausgeschlossen werden, sich nicht für ihre Gesundheit interessieren würden. In seiner Forschung habe er erfahren, dass es betroffenen Personen teils sogar sehr wichtig sei, zu erfahren wie sie ihre Gesundheit unterstützen können. In der Publikumsdiskussion wurde unter anderem besprochen, dass kulturelle Sensibilität vermehrt Teil der Aus- und Weiterbildung von medizinischem Personal sein müssen.
AJOKI KALO
ist Teamleiterin der Gesundheits- und Krankenpflege und Pflegetherapeutin für Wunde, Kontinenz und Stoma im Neunerhaus Gesundheitszentrum Wien. Sie setzt sich für die Gesundheitsversorgung von obdachlosen und nichtversicherten Menschen ein.MONIKA STARK
ist ärztliche Leiterin des Louisebusses, einer mobilen medizinischen Versorgung der Caritas in Wien sowie Gründerin einer international vernetzen organisationsübergreifenden medizinischen Gesellschaft für Straßenmedizin.TOBIAS SCHIFFLER
promoviert in der Abteilung für Sozial- und Präventivmedizin der Medizinischen Universität Wien. Er forscht zu Gesundheitsverhalten und Prävention für besonders vulnerable Bevölkerungsgruppen.MARIE NIEDERLEITHINGER (Moderation)
koordiniert die Open-Innovation-Aktivitäten der SHoW-Forschungsgruppe. Sie ist Biochemikerin und bringt sich auch in der Wissenschaftskommunikation ein. -
13:00 Mittagspause
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13:45 Ankündigungen
In diesem Workshop haben wir eine Fragestellung aus der Gesundheitskommunikation einmal ganz offen aufgegriffen. Zunächst hat Edith Flaschberger eingegrenzt, welche Art von Gesundheitskommunikation wir uns im Workshop anschauen wollten: Es sollte um Informationen gehen, die durch verschiedene Medien transportiert werden, aber nicht im persönlichen Beratungsgespräch. Danach haben wir uns ein Gesundheitsthema angeschaut, das Nina Lorenzi mitgebracht hat: Endometriose.Sie hat in einem frühreren Projekt mit betroffenen Personen zusammengearbeitet und dabei Empfehlungen erarbeitet, wie über Endometriose gesprochen werden sollte. Das ist eine Erkrankung, bei dem ein Gewebe, das der Gebärmutterschleimhaut ähnelt, an verschiedenen Stellen im Körper wächst und starke Schmerzen sowie weitere Einschränkungen verursacht. Anschließend hat Marie Niederleithinger eine Design-Thinking-Übung für den Workshop angeleitet. Anhand eines Arbeitsblattes haben Teilnehmenden überlegt, was Menschen mit Endometriose sagen, tun, denken und fühlen könnten. Zu jedem dieser Aspekte hatte Nina Lorenzi Beispiele aus ihrer Forschung mitgebracht – den Rest haben die Teilnehmenden mit ihrer Vorstellungskraft ergänzt. Anschließend hat sich die Runde überlegt, inwiefern Gesundheitskommunikation die Lage von betroffenen Personen verbessern könnte. Zunächst haben sie schnell und möglichst ungefiltert viele Ideen gesammelt. Dann einigte sich die Gruppe darauf, einen Entwurf für die Zielgruppe junger Personen mit Uterus auszuarbeiten. Die Idee: Periodenprodukte werden mit einem QR-Code versehen, der zu einem Kurzvideo führt. Dieses erklärt in Form eines sogenannten „One-Minute-Wonders“ wichtige Fakten zu Endometriose. In Ihrer Rolle als Expertin für gute Gesundheitsinformation hat Edith Flaschberger den Teilnehmenden am Ende des Workshops einige Punkte mitgegeben, die beim Weiterentwickeln der Idee eine Rolle spielen würden. Weitere Infos dazu gibt es bei der österreichischen Plattform Gesundheitskompetenz.
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14:00 Workshop
Designmethoden in der Forschung nutzen: Wie geht das?#Design #Methodik #Gesundheitskommunikation
Wer der Kreativität freien Lauf lassen darf, kann überraschende Ergebnisse erhalten. Im Workshop gehen wir eine Fragestellung aus der Gesundheitskommunikation einmal ganz offen an. Wir orientieren uns an dem Ansatz Design Thinking. Bei diesem werden alle Personengruppen, die einen Nutzen haben sollen, in die Entwicklung eingebunden. Die Workshop-Leiter:innen stellen Methoden und Materialien aus eigenen Entwicklungsprozessen bereit. Anhand derer bearbeiten wir in zwei Gruppen die Frage, wie Gesundheitsinformationen die Lage von betroffenen Menschen verbessern können. Dabei denken und fühlen wir uns in die Thematiken chronische Wunden sowie Endometriose hinein. Unser Ziel ist es, gemeinsam einen ersten Eindruck zu bekommen, wie die Design-Methoden funktionieren. Die Moderator:innen geben außerdem Hinweise dazu mit auf den Weg, was es für einen vollständigen Entwicklungsprozess bräuchte.
EDITH FLASCHBERGER
arbeitet im Kompetenzzentrum Gesundheitsförderung und -system der Gesundheit Österreich GmbH. Sie beschäftigt sich damit, wie Gesundheitsinformationen verständlicher, zugänglicher und evidenzbasierter werden können.NINA LORENZONI
forscht im Bereich Public Health an der UMIT Tirol. Sie interessiert sich für partizipative Forschung und leitete das co-kreative Projekt Informendo, das den Informationsbedarf zu Endometriose untersuchte.MARIE NIEDERLEITHINGER
koordiniert die Open-Innovation-Aktivitäten der SHoW-Forschungsgruppe. Sie ist Biochemikerin und bringt sich auch in der Wissenschaftskommunikation ein. -
14:00 Workshop
Werkstatt Gesundheitsförderung: Wie man eine gute Idee in die Tat umsetzt#Praxis #Methoden #Gesundheitsförderung
In Österreich wurden bisher kaum spezifische Maßnahmen zur Gesundheitsförderung für Menschen mit chronischen Wunden umgesetzt. Dabei gibt es zahlreiche effektive Konzepte, die helfen könnten, wie beispielsweise die Aufklärung über Krankheitsursachen, die Unterstützung durch Selbsthilfegruppen oder das Aufzeigen von hilfreichen Umgebungsressourcen. Unser Workshop hatte zum Ziel, einen Überblick über die Entwicklung und Kernideen der Gesundheitsförderung zu geben und zu zeigen, wie diese Konzepte erfolgreich in die Praxis umgesetzt werden können. Zu Beginn unseres Workshops erläuterte Karl Krajic die Gesundheitsförderung als relativ neue Strategie zur Verbesserung der Gesundheit von Individuen, Gruppen und Bevölkerungen. Download Präsentationsfolien Der Workshop bot einen umfassenden Überblick über die Entwicklungsgeschichte und grundlegende Konzepte. Dabei wird Gesundheit als Ressource betrachtet, die über die bloße Abwesenheit von Krankheit hinausgeht und die Dimensionen positiver Gesundheit umfasst.
Zu den Hauptstrategien der Gesundheitsförderung zählen das aktive Eintreten für Gesundheit, die Befähigung von Individuen sowie die Vernetzung vieler Akteur:innen. Gesundheitsförderung umfasst auch verschiedene Aktionsbereiche wie die Entwicklung einer gesundheitsfördernden Politik, das Schaffen gesundheitsförderlicher Lebenswelten und die Unterstützung gesundheitsbezogener Gemeinschaftsaktionen. Darüber hinaus liegt ein Fokus auf der Entwicklung persönlicher Kompetenzen und der Neuorientierung von Gesundheitsdiensten, um eine umfassende und nachhaltige Gesundheitsförderung zu gewährleisten.
Wir haben uns als Beispiel eines gelungenen Gesundheitsförderungsprojekts »Legs matter« angeschaut. Diese britische Initiative hat sich erfolgreich darauf konzentriert, die Gesundheitsversorgung und das Bewusstsein für Menschen mit chronischen Wunden zu verbessern. Im Rahmen unseres Workshops haben wir auf Basis der sozialen Determinanten der Gesundheit mögliche Ansatzpunkte für ähnliche Projekte in Österreich diskutiert. In Kleingruppen entwickelten wir Projektideen zur Implementierung in den Bereichen allgemeinmedizinische Praxis und Community Nursing. Die erarbeiteten Konzepte umfassten unter anderem Ernährungsberatung in der allgemeinmedizinischen Praxis, Sensibilisierung für Fußpflege bei Menschen mit Diabetes in Gemeinden und die Organisation eines Stammtisches zum Thema „Hilfe zur Selbsthilfe“. Diese Initiativen zielen darauf ab, durch wissenschaftlich fundierte Maßnahmen in verschiedenen Settings die Versorgung und das Bewusstsein für chronische Wunden zu verbessern und die positive Gesundheit der Patient:innen zu stärken. Dabei wurde klar, dass es zahlreiche Ansatzmöglichkeiten gibt. Zum anderen verdeutlichten die Projektideen, dass auf diesem Gebiet noch großer Handlungsbedarf besteht, um die bestmögliche Versorgung für Menschen mit chronischen Wunden zu gewährleisten.
KARL KRAJIC
ist Privatdozent an der Universität Wien und Sozial- und Gesundheitswissenschaftler im Bereich Gesundheits- und Medizinsoziologie. Er forscht und lehrt z.B. zu Gesundheitsförderung in Krankenbehandlung und Pflege.KATHRIN MORASEK
arbeitet bei der SHoW-Forschungsgruppe und am Ludwig Boltzmann Institut für Arthritis und Rehabilitation. In ihrer Doktorarbeit entwickelt sie Methoden zur epidemiologischen Erfassung von chronischen Erkrankungen. -
15:30 Workshop
Care in Community gemeinsam gestalten#Selbsthilfe #Empowerment #Unterstützung
Chronisch krank zu sein erfordert oft, sich ein Netzwerk menschlicher Nähe und Unterstützung aufzubauen. Doch leider gibt es dafür nicht immer die notwendigen Rahmenbedingungen. In unserem Workshop werden wir uns anschauen, welche gesellschaftlichen Hürden es für Betroffene und ihre Familien gibt und wie man gemeinschaftliche Unterstützungsnetzwerke aufbauen kann. Wir haben Einblicke in erfolgreiche Caring-Community-Projekte erhalten – wie das OIS Impact Lab Caring Communities for Future oder CareACt in Communities und erfahren wie solche unterstützenden Gemeinsachten für Menschen mit chronischen Erkrankungen hilfreich sein können. Außerdem bot der Workshop die Chance, Erfahrungen zu teilen und gemeinsam zu diskutieren, wie wir das soziale Miteinander im Kontext der Wundversorgung stärken können. Die Teilnehmenden kamen zu dem Fazit, dass aktuell noch zu wenig Caring Communities in Österreich gibt, obwohl es ihrer Ansicht nach nicht viel für eine bessere Umsetzung braucht. Die Gesprächspartner:innen sahen einen großen Mehrwert von Caring Communities für Betroffene und deren Angehörige. So wurde es als Chance gesehen, dass Patient:innen dann schneller zur richtigen Versorgungsstelle beim Entstehen einer Wunde gelangen und dass niederschwellige Verbandswechsel ermöglicht werden können.
LAURA SOYER
Laura Soyer ist Kultur- und Sozialanthropologin und ist im Kompetenzzentrum Gesundheitsförderung und -system der Gesundheit Österreich GmbH tätig. Sie beschäftigt sich mit Partizipation und sozialer Innovation.SILVIA WOJCZEWSKI
ist Kultur-und Sozialanthropologin und arbeitet an der Medizinischen Universität Wien, Abteilung Primary Care Medicine. Sie beschäftigt sich mit Diversität und intersektionaler Diskriminierung im Gesundheitssystem.DEBORAH DRGAC
arbeitet als Sozialwissenschaftlerin für SHoW, wobei sie sich mit der informellen Versorgungsstruktur chronischer Wunden in Österreich befasst. Darüber hinaus verfasst sie im Rahmen des Projektes ihre Doktorarbeit zu sozialen und politischen Aspekten des Gesundheitssystems. -
15:30 Gespräch
Künstlerische Forschung: Wie können durch Kunst neue Erkenntnisse entstehen?#Kunst #Wissenschaft #Erkenntnis
Forschung durch Kunst eröffnet neue Möglichkeiten und Perspektiven für das Thema Gesundheit. Wenn wir künstlerische Methoden einsetzen, verknüpfen wir verschiedene Ebenen des Wissens und des Verstehens. Alle Sinne können angesprochen werden, was in der Gesundheitsforschung bisher selten genutzt wird. In dieser Gesprächsrunde haben wir das Konzept der Künstlerischen Forschung im Zusammenhang mit Gesundheit vorgestellt. Arno Böhler, der künstlerische Methoden in Forschung und Lehre nutzt, berichtete über sein neues Projekt, bei dem ein Team an der Schnittstelle zwischen Philosophie, Kardiologie und Kunst die Bedeutung des Herzens erforscht. Er berichtete von der Entstehungsgeschichte des Projektes und schilderte, wie Methoden künstlerischer Forschung dazu beitragen, das Thema aus einer kulturübergreifenden Perspektive zu untersuchen. Lea Karnutsch gab einen Einblick in die Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe Alterung und Wundheilung, aus der eine Neubearbeitung ihrer Performance »process of a braced wound healing« hervorging. Sie erklärte, wir ihr die Verkörperung von wissenschaftlichem Wissen dabei hilft, dieses zu durchdringen. Für Rose Kaufhold wiederum stellt die künstlerische Bearbeitung medizinischer Daten einen Akt der Aneignung dar, mit dem sie sich Wissen über Vorgänge in ihrem eigenen Körper verschafft und auch für andere zugänglich macht. Nach der Vorstellung der Projekte diskutierten wir über Hausforderungen bei der künstlerischen Forschung. Es wurde klar, dass es keine standardisierten Methoden und Qualitätskriterien für diese Art der Forschung gibt. Auch gibt es noch große Vorbehalte gegenüber künstlerischer Forschung seitens wissenschaftlicher Institutionen. Durchaus kontrovers wurde diskutiert, inwiefern künstlerische Ausdrucksformen dazu dienen (sollten), eine Brücke zwischen Wissenschaft und Lebenswelten zu schlagen, und ob künstlerische Forschung eine demokratische Form der Wissensgewinnung ist. Die Diskussionsteilnehmer:innen hielten fest, dass auch ästhetisch-künstlerische Zugänge nicht immer niedrigschwellig seien. So berichtete Rose Kaufhold von Gatekeeping und elitären Strukturen, die sich sowohl in der Wissenschaft als auch im Kunstbetrieb wiederfinden. Am Schluss waren sich die Gesprächspartner:innen darin einig, dass es mehr Austausch zwischen Kunst und Wissenschaft geben sollte und Forschungsprozesse kreativer und vielfältiger gestaltet werden müssten.
ARNO BÖHLER
lehrt Ästhetik an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien sowie Philosophie an der Universität Wien. In seinen Forschungsprojekten nutzt er kunstbasierte Methoden, um philosophisches Wissen zu generieren.ROSE KAUFHOLD
vereint Neuroforschung, Sprach- und Informationstechnologie, Musik und Philosophie. Sie erschafft multimediale Performances, Installationen und Forschungsarbeiten mit Zugang zu Krankheit und Gesundheit.LEA KARNUTSCH
hat klassischen und zeitgenössischen Tanz an der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien studiert. Sie erforscht in ihrer künstlerischen Praxis neue und innovative Formen der Bühnenperformance.GABRIEL DÖRNER (Moderation)
ist in der SHoW-Forschungsgruppe für Kommunikations- und Veranstaltungsmanagement zuständig. In seinem Studium beschäftige er sich mit künstlerischer Forschung und der Verknüpfung von Kunst und Wissenschaft. -
17:00 Abschluss-Empfang
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