Von einem Dilemma ins nächste? Wie die Klimakrise die menschliche Gesundheit herausfordert

Chronische Wunden sind ein komplexes Krankheitsphänomen, in ihrer Entstehung wie auch in ihrer Versorgung. Viel weniger komplex fällt dagegen die Erklärung dafür aus, welche Einflussfaktoren die Klimakrise vorantreiben und wer für diese fatale Entwicklung verantwortlich ist. Die Veränderungen in den weltweiten Klimabedingungen greifen massiv in alle Lebensbereiche des Menschen ein. Sie gefährden die Gesundheit von nicht wenigen Teilen der Bevölkerung. Mit einer vierteiligen Reihe möchten wir auf unserem Blog die Folgen der Klimakrise für die menschliche Gesundheit aufzeigen, beispielhaft nachgezeichnet anhand der problematischen Wirkung von Hitze auf das Krankheitsbild der chronischen Wunden.

Wie Hitzeperioden das Gesundheitsrisiko steigern

Das Weltklima durchläuft derzeit einen rasanten Wandel. Es steuert auf eine Katastrophe zu, falls wir weiterhin nicht ins Handeln kommen und effektive Maßnahmen setzen. Eine der Konsequenzen aus der Klimakrise, die vielerorts bereits deutlich spürbar ist: Perioden mit überdurchschnittlich hohen Temperaturen sind häufiger, fallen heftiger aus und dauern länger an. In zahlreichen Regionen rund um den Globus sind dadurch immer mehr Menschen einem höheren Gesundheitsrisiko ausgesetzt. Die Bevölkerung Europas und jene des östlichen Mittelmeerraums betrifft das noch stärker als Bewohner:innen des afrikanischen Kontinents oder Süd-Ost-Asiens. Ursache dafür ist möglicherweise der größere Anteil älterer, in Städten lebender Personen, der in der Gesellschaft dieser Länder zu verzeichnen ist.

Hitzewellen verursachen große direkte und indirekte Schäden. Sie rufen menschliches Leid hervor. Anhaltende Hitze geht mit einer Übersterblichkeit einher. Liegt die gefühlte Temperatur über 35 Grad, steigt die Sterblichkeit in Relation zur Temperatur und Dauer der Hitzeperiode. Die gefühlte Temperatur entspricht dem Wärmeempfinden eines/einer durchschnittlichen Erwachsenen im Freien. Sie wird nicht nur von der Lufttemperatur beeinflusst, die vom Thermometer abgelesen werden kann. Auch die Luftfeuchtigkeit, der Luftdruck und die Windstärke sind für ihre Bemessung relevant.  Die gefühlte Temperatur kann in extremen Fällen bis zu 15 Grad über der Lufttemperatur liegen.

Eng verzahnte Wechselwirkungen

Die gesundheitlichen Auswirkungen überdurchschnittlich hoher Temperaturen betreffen die gesamte Bevölkerung. Sie belasten jedoch Personen über 65 Jahre, chronisch Kranke und Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen in einem noch stärkeren Ausmaß. Das Gleiche gilt für Diabetiker:innen, Menschen mit Lungenerkrankungen, Bewohner:innen von Städten und kleine Kinder. Auch ein Über- oder Untergewicht und Bewegungseinschränkungen führen dazu, dass Hitze zu einer erheblichen Herausforderung für den Körper wird.

Ein höheres Alter, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Übergewicht bringen nicht nur ein größeres Risiko für hitzebedingte Gesundheitsbelastungen mit sich. Diese Faktoren beeinflussen auch entscheidend, ob und in welchem Ausmaß sich bei einem Menschen eine chronische Wunde ausbilden kann. Die Zusammenhänge zwischen der Entwicklung einer chronischen Wunde, der Wundheilung und überdurchschnittlich hohen Temperaturen sind durch zahlreiche Abläufe im menschlichen Körper gekennzeichnet, die wechselseitig stark aufeinander einwirken. Diesen Korrelationen möchten wir im Rahmen unserer Blogreihe auf den Grund gehen.

Der Körper auf Hochtouren

Als Ausgangspunkt für unsere Analyse möchten wir an dieser Stelle kurz die grundlegenden Mechanismen im menschlichen Körper erläutern, mit denen er auf Hitzestress reagieren kann:

Um die Temperatur im Inneren des Körpers zu begrenzen und die notwendige Abkühlung herbeizuführen, beginnt die Haut zu schwitzen. Der Schweiß verdunstet an der Hautoberfläche, dabei wird Wärme abgegeben. Darüber hinaus wird die Haut stärker durchblutet. Dafür erweitern sich die Blutgefäße, der Blutfluss steigt und der Blutdruck sinkt ab. Bei einer akuten Überhitzung kann der Blutfluss in der Haut auf sechs bis acht Liter pro Minute ansteigen. Kann der menschliche Körper in einer Umgebung seine Innentemperatur konstant halten, ohne dass er aktiv Wärme abführen muss, liegt der Blutfluss in der Haut hingegen bei nur etwa einem Viertelliter pro Minute. Diesen großen Unterschied zu leisten, beansprucht den Organismus enorm.

Um Hitzestress zu bewältigen und die entsprechenden Reaktionen im Körper zu ermöglichen, muss auch das Herz intensiver arbeiten. Es muss schneller und stärker pumpen, sein Sauerstoffbedarf steigt. Für Menschen mit Herzerkrankungen kann das problematisch werden. Trinken überhitzte Personen nicht ausreichend, können sie dehydrieren. Durch das verstärkte Schwitzen geht Flüssigkeit verloren, die dem Körper rasch wieder zugeführt werden muss. Andernfalls läuft der Flüssigkeitshaushalt Gefahr, außer Kontrolle zu geraten. Kommt es zu einer Dehydrierung, verringert sich das Blutvolumen und das Blut wird dickflüssiger. Das erhöht die Belastung für das Herz-Kreislauf-System noch weiter. Darüber hinaus kann ein ausgeprägter Flüssigkeitsmangel auch die Nieren schädigen.

Zwischenfazit und Ausblick

Hitze fordert schon den Körper gesunder Menschen. Hat jemand ein fortgeschrittenes Alter, ist pflegebedürftig und/oder hat eine oder mehrere (chronische) Erkrankungen, wird die Belastung noch größer. Sie zeigt sich anhand unterschiedlicher Symptome. Diese Symptome beeinflussen einander wechselseitig und können sich dadurch in ihren Auswirkungen noch weiter verstärken. Für das Krankheitsbild der chronischen Wunden bedeutet das etwa konkret Folgendes: Funktioniert die Durchblutung der Haut nur eingeschränkt, erschwert das zum einen die Regulation der Körpertemperatur. Zum anderen können sich dadurch auch chronische Wunden rascher ausbilden, weil die Haut bzw. das Gewebe nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt werden.

Im zweiten Teil unserer Blogreihe werden wir uns eingehend mit der Durchblutung des Körpers auseinandersetzen. Sie übernimmt, wie zuvor bereits geschildert, wesentliche Funktionen bei der Thermoregulation. Darüber hinaus können sich Durchblutungsstörungen massiv auf das Gewebe und die Haut auswirken. Das Schwitzen wird zum Thema, genauso wie die Veränderungen in den menschlichen Schweißdrüsen im Zuge des Alterungsprozesses. Diese Veränderungen können Effekte auf die Wundheilung haben.

(Text: Edeltraud Günthör & Conny Schneider, 23.09.2022)

Quellen:

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a. Dieser ausgetrocknete Boden erinnert an trockene Haut. Die Klimakrise verursacht Dürreperioden in vielen Regionen der Welt. Gleichzeitig wirkt sich anhaltende Hitze auch stark auf jene Faktoren aus, auf die chronische Wunden zurückzuführen sind. (Foto von Renzo D’souza auf Unsplash)